Review2. Mai 2025 Cineman Redaktion y1p52
«Oxana»: Aktivismus mit Leib und Seele 4y5r4f

Hinter den aufsehenerregenden Aktionen der Femen-Bewegung stand mehr als nur Provokation: Die Aktivistinnen kämpften für universelle Werte, die alle Menschen betreffen. Regisseurin Charlène Favier erzählt in «Oxana» die Entstehungsgeschichte der Bewegung – und begleitet den Weg einer ihrer Gründerinnen.
Von Laurine Chiarini
Mit acht Jahren malt Oxana (Albina Korzh) religiöse Ikonen für den orthodoxen Priester ihrer kleinen ukrainischen Heimatstadt. Tief gläubig und vom klösterlichen Leben fasziniert, entwickelt sie ihr künstlerisches Talent in Kursen, die eigentlich nur erwachsenen Männern offenstehen. Ihre enge Verbindung zur Natur und ihre Sensibilität für soziale Ungerechtigkeiten führen dazu, dass sie handeln will. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Inna (Maryna Koshkina) und Lada (Lada Korovai) gründet sie eine feministische Bewegung, die politische Missstände auf kreative, künstlerische Weise anprangert. In Rückblenden zwischen der Ukraine und Frankreich, wo Oxana später Zuflucht findet, folgt der Film ihrem mutigen Weg – einem Weg, auf dem sie immer wieder ihr Leben riskiert, um für ihre Überzeugungen einzustehen.
«Halbnackte, hysterische Feministinnen, die das Patriarchat zerstören wollen» – so reduziert und klischeehaft wurden die Femen lange in den Medien dargestellt. Dabei ging ihr Kampf weit über reine Frauenrechte hinaus: Sie engagierten sich für den Tierschutz, für den Zugang zu Bildung und gegen Korruption. Ihre gut geplanten Protestaktionen sorgten regelmässig für internationale Schlagzeilen. Legendär wurde etwa der Slogan «Die Ukraine ist kein Bordell», den sie 2011 öffentlichkeitswirksam gegen die grassierende Prostitution in ihrem Land ins Rampenlicht rückten. Während der Fussball-EM 2012 verbreitete sich dieser Ruf rund um den Globus.
Der Film zeigt auch die erschütternden kulturellen Gräben zwischen Ost und West. Nachdem Oxana und ihre Mitstreiterinnen in Belarus bei einer Protestaktion gegen Präsident Lukaschenko von Polizisten in Zivil entführt, misshandelt und im Winter nackt in einem Wald ausgesetzt wurden, flohen sie in die französische Botschaft. Dort stiessen sie auf Behörden, die kaum erfassen konnten, wie ernst ihre Lage wirklich war. Später, in einem Pariser Amt, wird Oxana gar unterstellt, sie übertreibe ihre Geschichte – obwohl sie und ihre Freundinnen in Russland fälschlich beschuldigt worden waren, Anschläge auf Putin geplant zu haben.
«Oxana» verbindet wahre Begebenheiten mit fiktionalen Elementen und lebt insbesondere von seinem authentischen Casting mit ukrainischen Schauspielerinnen. Aufgrund des Krieges fand Charlène Favier ihre Darstellerinnen über Zoom. Gedreht wurde schliesslich nicht in der Ukraine, sondern in Ungarn und Paris. Doch der Film erzählt weit mehr als nur die Geschichte einer Aktivistin: Es geht um Verrat und Prinzipien, um Ideale und die schmerzhafte Suche nach dem eigenen Platz in der Welt. Und er zeigt, wie mächtig Kunst sein kann – auch wenn sie nicht jede Wunde heilen kann.
Nach dem eindrucksvollen Dokumentarfilm «Je suis Femen»von Alain Margot aus dem Jahr 2014 ruft uns «Oxana» eindringlich in Erinnerung: Die Ungerechtigkeiten auf der Welt sind noch lange nicht überwunden.
«Oxana» ist ab dem 1. Mai 2025 im Kino zu sehen.
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